"Bitte berühren!" im Diözesanmusuem bis 1. Oktober verlängert
Böse Zungen behaupteten, diese Ausstellung sei ein Lückenbüßer: "Bitte berühren!" im Diözesanmuseum Paderborn sollte nach neun Tagen am 17. September 2023 enden. Doch nun wird die Präsenz agiler Bewegungsskulpturen zwischen gewichtigen Kirchenschätzen bis Anfang Oktober verlängert. Grund: Das "große Interesse der Besucherinnen und Besucher", so das Museum.
In der Tat strömte vor allem junges Publikum in unerwartet hoher Zahl ins Museum. Sonst grüßt die ergraute Einlaßdame Besucher im Rentenalter. Vom Lückenfüller zum Verbindungsschaffer? Ja, die Kunst Manfred Webels ist Kunstvermittlung. Geht aber darüberhinaus.
Rückblende. Paderborn, bevor die Bomber kamen. Mittelalterlicher Stadtplan, der Dom umbaut, mehrstöckige Häuser versperren die Sicht, der Blick geht, wie im gotischen Dom, nach oben, gen Himmel. Dann weitet sich die enge Gasse, gibt jäh den Blick frei auf das Haus Gottes. Der Hohe Dom zu Paderborn taucht nicht allmählich auf. Er ist da. Plötzlich. Eine architektonische Epiphanie.
Mit Nischen und Kapellen bieten gotische Gemäuer das Erlebnis der Epiphanie auch im Innern: Der Blick nach oben, im Vorbeigehen die plötzliche Entdeckung; eine Nische im Augenwinkel. Hypnotiseure nutzen den Effekt: Der Augenaufschlag versetzt in leichte Trance, jenen Zustand, der Erleuchtung und Kreativität zugrunde liegt, Grundlage tiefer Erkenntnis.
Seit der Karolinger-Ausstellung Ende der 90er spielt das Paderborner Diözesanmuseum in der Oberliga. Sein Architekt, der Kölner Kirchenbaumeister Gottfried Böhm, baute das Innere vertikal, führte den Blick nach oben. Dem Besucher offenbaren sich auf acht Ebenen die Nischen epiphanischen Erlebens.
Diese Bewegung aufnehmend, platziert der Paderborner Künstler Manfred Webel (der erstmals in seiner Heimatstadt ausstellt) vielfältige Bewegungsskulpturen auf allen Ebenen: in Ecken und Nischen; in Durchbrüchen; an Durch- und Aufgängen. Pötzliche Entdeckungen, die uns im Zustand leichter Trance zu kreativer Weiterführung des Gebotenen verführen: Bewegungsskulpturen auf Untergründen aus Rasen, Holz oder Tuch, auf "Arenen", kurz: auf Urgründen freien Spiels.
Die Bezüge zu etablierten Ausstellungsobjekten - solide Goldtruhen, silbergefasste Weihrauchbehälter, edelsteinbesetzte Kelche, mächtige Monstranzen -, diese Bezüge wurden vom Künstler nicht konstruiert, eher induziert, wie der Hypnoseur den Probanden nach unwillkürlichem Augenaufschlag gestattet, sich von etwas Neuem verführen zu lassen.
Die bösen Zungen, verstummt. Die Austellung "Bitte berühren, Paderborn!" hat sich als Verbindungsmotor erwiesen. Läuft bis 1. Oktober im Paderborner Diözesanmuseum.
Text: Andreas Hahm-Gerling
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